gurken 72 alle die da fallen

3:59 tröteten heut die vögel los.
ich sitze, den rücken leicht erhöht am radio und bin entsetzt und überrascht, als ich eine talkshow eines heimischen radiosenders höre, in der bürger ihre meinung zum vorschlag kigeld nur noch bis 18, dafür bis 7ten lebensjahr doppelter bezug kundtun dürfen.
als ich auszog von zuhause, auch vorher schon, trachtete ich ja den kontakt zum 'kleinen manne' zu meiden, der kleine mann existierte wohl noch in groben berechnungen zu weltherrschatfsplänen, oder einfach nur zum gesunden menschenverstand - doch dann katapultierte sich der kleine mann in form von dialektsprechenden anrufern wieder direkt mitten ins zentrum...der kleine mann war ausnahmslos grenzdebil und/oder besoffen, schwafelte, wenn auch in meinem alter, davon das in der ddr alles besser war, und begriff nicht mal die aussage dieses, sich erstmal nicht unvernünftig anhörenden vorschlages nicht mal bis zum ersten halbsatz.

die menschen düren wählen. wie konnte ich sie vergessen haben. denn diese menschen stellen keine bemitleidenswerte randkaste da, sie sind die mehrheit, sie sind die, von denen ich mich immer bedroht fühlte, sie sind die, die bisweilen auch, ein klein bisschen meinen tod wollten, und das auch, ein klein wenig versuchten.
wer nicht in der povinz aufwuchs, und nicht ziemlich anders in allen belangen war, dem ist das unmöglich plausibel zu erklären, dem mag das übertrieben erscheinen, aber so war es.

gut möglich, das kurzzeitig so etwas einen echten überlebenswillen produziert...tat es sicher. aber über die dauer der zeit signalisierte es vor allem das darwinistische prinzip - man würde einfach unter gehen, unter ihnen, und es gab nur die wahl zwischen dasein als eremit, inklusive regelmässiger niederbrennung der eremietenhütte - oder flucht in die stadt. genauer in die mindestens übernächstgrössere stadt.

einen homosexuellen gab es im dorf. das wusste man schon seit er kind war. kam dann wohl ins heim, und haute mit spätestens 15 dann ganz ab. direkt dann in den westen...
andererseits tolerierte man schweigernd absonderliche kriminelle existenzen die ihren gesamten umkreis terrorisierten (typische krankhafte nachbarschaftskräche inklusive tote tiere in anderer leute gärten legen etc) eben weil sie wunderlich, böse, und gefährlich waren und über alle dümmlichen eigenarten der restlichen eingeborenen verfügten. von der kargen verwendung der eingeborenensprache bis zu deren politischen gewohnheiten.

und das ist nur der lose überblick über die 5,6 häuser um mich, in mittleren zipfel des unterdorfes. das oberdorf (spiel nicht mit der schmuddelomma) war schon wieder eine andere welt.

aufgrund dieses kosmos in den ich also hineingeboren war, konnte ich schon in jungen jahren im brustton der überzeugung vermelden das faschismus jederzeit wieder möglich wäre. jedenfalls bestünde die welt aus dem dorf hinter den 7 bergen.

...
aber bis hierher ist das natürlich wieder:thema verfehlt, 6.
...denn ehe diese nächtlichen radiomeinungsanrufer so unschön ins gewissen holperten da sass ich, den rücken leicht erhöht im bettchen und schaute dem dunklen himmel beim sich erhellen zu, in grabesstellung. um ein warmes molkegetränk gefaltete hände, und die beine ganz gerade, paralell. und so fiel mir ein, völlig losgelöst kam im radio (schwebt das dhrhauhaumschiff) woran mich der titel des becket stücks 'alle die da fallen' erinnerte....natürlich: den weg zum spielplatz.

vielau, kindergarten. ein karré der reformistischen kindererziehung - ein rechteck bildete die EOS, später nur noch grundschule, der flügel gegenüber der kindergarten, die leihbücherrei für kinder, und die freiwillige feuerwehr mit dem schulhort. im anschluss hinten, ein sportplatz; sprunggrube, gestänge, fussballplatz.

die kindergartenkinder mussten eine strecke von ca. 800m bis zum speziell umzäunten spielplatz nehmen. angetreten in zweierreihen, jeder nimmt einen anderen in die hand, nicht aus der reihe tanzen - und los. enig befahrene landwirtschaftsstrasse, ging auf die felder, gegenüber des spielplatztes eine kleingartenkolonie (auf dem dorf!) im weiteren, je nach jahreszeit von spielplatz sichtbaren verlauf, die autobahn. die nach bayern. oder berlin. je nachdem....

ehe man jedoch zum spielplatz gelangte war ein abschüssiger hang, vollbetoniert, mit vereinzelten kieselsteinchen zu nehmen, und da kindergartenkinder, warum das leuchtet mir heute auch nicht mehr ein, wie wilde stiere scharrten und harrten überall wo sich auch nur die leise möglichkeit schneller als schrittgeschwindigkeit sich vortzubewegen aufleuchten sah...
das tor also wurde aufgeschlossen, und die kinder rannten los. um die wette. wer schlau war, und feige, der wich gleich an die seite, ins weiche grass aus, wer fiel, fiel auf erde, und es fielen immer welche, mindestens zwei - die durften dann gleich, von der kindergartentante begleitert zur behandlung in das kleine räumchen neben dem hausmeisterschuppen eintreten.
wir trugen alle strumhosen. wenn man so fiel, das also die strumhose ein loch bekam, dann hatte man das schlimmste beileibe nicht überstanden, jedoch knapp umschifft. schlimm war nämlich sich die knie aufzuschlagen, ohne das die strumhosen ein loch bekamen, sich die strumhosen also mit dem gerinnenden blut zu einer masse verbanden - und man ging immer zu spät zur kindergärtnerin die verletzung anzuzeigen, wenn die strumhose schon festverwachsen war. so entwickelte man also die strategie bei diesen speziellen stürzen die strumhose sofort mit spitzen, zitternden fingern an der stelle hochzuhalten, wo sich eine hauschicht gelöst hatte.

wer sich ein loch schlug, der musste der strumhose erstmal entledigt werden. da wurde natürlich nicht zum wohle des kindes die schere angesetzt...neinnein, drübergezogen wurde die, so eine strumhose war ja locker noch 5-6x stopfbar, gemessen an allen die da fallen ein echter wirtschaftsfaktor. man musste also damit rechnen noch einzweimal losbrüllen zu müssen, wenn der mehr kunst-als-naturfasermix unfachmännisch abgezogen wurde und noch ein paarmal in die wunde ditschte. dann kam das entfernen von dreck, kleinen steinchen, etc aus dem wundbereich- bei kleineren gabs ein plaster drauf, grössere wunden sollten luftig gehalten werden, was die kinder veranlasste bewegungslos die wunde in die sonne zu halten, so es welche gab, mit schmerzgesicht.

ich gehörte zu denen die jeden zweiten spielplatzbesuch mit offenen knien verbrachte. oft noch auf alte grinde neue wunden schlug - so eine kindheit, das war gemetzel, das war immer-schmerz. 50/50 verbrachte ich die zeit über der erde, auf bäumen und klettergerüsten, 50% direkt auf erde und beton, entweder durch eigenen sturz, oder weil andere kinder auf mir hüpften. noch schlimmer als knie auf beton war nur sand in augen und mund.

ddr spielplätze bestanden übrigens neben aus heute längst verbotenen halbangerosteten klettergestängen, recht hoch, vor allem aus halben lkw-reifen aus der LPG. überall halbe reifen in der erde, mit primärfarben angemalt. als pferde, zum durchkriechen, als dämpfer unter wippen - lkw-reifen wohin das auge schaute. und so fiel man, mit dem festen wissen, dass so ein lkw-reifen höher war, als man selbst. viel höher. fast ein ganzer erwachsener. wer brauchte einen gott, wenn es erwachsene und über ihnen lkwreifen gab?

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