mit Kurt, Kegel und Kammlagen

Von: ellendol · 05.04.2005 um 20:48:38 Uhr

es ist wie jedes jahr, heute oder gestern, vor einer zeit in der das dorf noch dorf war, und die welt da draußen, eben nur die stadt. die eine busreise entfernt lag, die ich mir vom taschengeld nicht leisten konnte, und mit dem rad so weit wegwar, das ich noch nicht hindurfte. 13km ferne welt.
eine welt in der die schneeglöckchen noch zuverlässig ausschlugen. kirchenglocken zuverlässig läuteten. ich aus dem pfarrgarten blumen stahl um sie oma zu schenken, weil ich eine 3 in mathe hatte. ich wo ich hinkam klapperte, da ich eine mangentafarbene zahnspangendose mit einem neongrünen schnürsenkel aus plastik um den hals trug, mit zahnspange drin, da man mit einer losen spange weder lesen noch reden noch essen konnte. Kurts Todestag.
Kurt on tv. Kurt on mtv. so wuchs ich auf. Mit dem toten Kurt. Cobain auf MTV zu sehen, ist wie Eltern zu haben, die man wenigstens leidlich liebte. Kurt ist ein absurdes Surrogat. Deswegen so elternähnlich, da er da war, wenn es Not Tat, in den Magnetbändern der Cassetten der Walkmans. Weil ich irgend etwas begriffen habe, von dem ich heute noch nicht weiß was, aber: es half. Dieses Jahr ist das elfte, das letzte war eine Dekade, also war ich am Ende 10.

Es stand die Dorfkirmes an. Und ich stand im Hexenkessel. Und war nicht das erste mal verloren. Nach all dem horriblen Eurodance, Roxette und ähnlichem Gesummse welches man zu der Zeit eben in der Welt konsumierte bollerte aus den Kirmesboxen auch Nirvana. Ich schloß die Augen. Der Hexenkessel drehte und wippte. Ich wußte. 10. Kurt tot. Auf dem Rückweg kotzte ich auf die Hauptstraße. Ich war so jung. Und wußte schon alles. Was andere erst mit 15 oder noch später wußten. Schon damals rauschten die Ohren. Ich trug ein pinkes T-Shirt auf dem Barbie war. Man hatte es auf einem vietnamesischen Markt an der deutsch-tschechischen Grenze erworben, und es war definitiv kein Mattel-Lizensprodukt. Es hatte 5 DM gekostet.

Als ich genug Geld gespart hatte kaufte ich In Utero. Alle anderen Alben hatte ich mir mit demütigen Betteleien von den Größeren, die mich auf dem Baseketballplatze beim Dunken immer in den Staub stießen auf Kasetten überspielt. Das mit dem Dunken klappte natürlich nur weil der Korb keinerlei Regeln entsprach, und so hoch hing wie der größte 17 Jährige Jung war. Der Baseketballplatz war eine Ecke zwischen Weitsprunggrube und Fußballplatz, jener platz auf dem sonst die Dorfkirmes stattfand. Bis jetzt wußte ich nicht das man Weitsprunggrube mit zwei G schreibt.

Von diesen Begegnungen, namentlich mit einem der von allen nur Beavis genannt wurde, da er gewisse Ähnlichkeit mit Beavis von Beavis&Butthead hatte, bekam ich auch meinen Spitznamen, der sich zumindest in der kleinen übeschaubaren Slacker und Rockerszene Vielaus bis ganz spät hinein, fast in die 00er Jahre hielt: Kackarsch.
Kackarsch hieß das blonde Mädchen, das im Herbst dann in das fiel was nicht mehr Staub sondern Erd/Laub Matsch war, vorm Korb. Zuhause würde ich Ärger bekommen. Die Schnellfickhose im Arsch. Mutter würde doppelt schimpfen, denn sie war echt adidas, und nicht vom Fidschimarkt, echt teuer, echt Intersport. Echt aus der Stadt. Und ich bekam immer Ärger wenn ich mit dreckigen Kleidern heimkam. Ich kam fast immer mit dreckigen Kleidern heim.

Ich war traurig und stolz. Trotz Piesackerei war ich das einzige Mädchen das sich auf den Basketballplatz traute. Zumindest….um auch zu spielen, und nicht nur Jungs anzuglotzen.

[Einmal hab ich mir beim Spiel fast die Zähne ausgeschlagen, weil ich die Kette mit den Plastikschnullern aus den Bonbonautomaten, deren Anzahl eine Art Statussymbol repräsentierten, und die man sich überall hinhängte wo es Löcher oder Befestigungsmöglichkeiten am Körper hatte – zumindest auf dem Lande]

Auf Heimwegen machte ich meist Umwege übers Feld. Den Hügel rauf, an die höchste Stelle Vielaus. Eine kleiner Landschaftsstrich den ich evtl. als Heimat bezeichnen würde. Weiter drüben die treuen Haflinger des alten Bauern der heute halbseitig gelähmt nach Herzinfarkt noch viel besser vor sich hin stirbt als der Papst. Die Tiere mit denen ich wuchs. Ein Fohlen mit dem ich sprach, fast täglich, und sich schon alle etwas sorgten, weil ich allein da war, und stunden da war, und mit dem Tier redete, auch wenn es regnete. linker Seite die Weide mit den Kühen, in die Welt blickte man zu dem Streifen der das Land zerschnitt. Die A72.
Hier oben war es hoch. Die höchste Stelle Vielaus, im Dunklen die Flure, der Wald. Im 360° Rund dann die Ausläufer des Erzgebirges die man auch bei unklarer Sicht immer schemenhaft erkennen konnte. War die Luft klar, und das war sie oft zeichneten sich scharf die Schneespitzen des eher rundlich wirkenden Krušné hory. Fürs Protokoll, ich spreche kein wort Tschechisch. Das ist ein böhmisches Dorf to me. Die frühe Kindheit kann an Ausflugswochenenden nirgenwo anders gelegen haben als zwischen fichtel- und keilberg. (1244m, 1215m) Für übliche Dinge reichte auch der Auersberg, auf den gelatscht und eingekehrt wurde. Laufen und einkehren. Generationen Sachsen in diesen Lagen kennen nichts anderes. Sie laufen Berge empor. Nicht so das es in Wandern ausarten würde. Manchmal suchen sie noch Pilze. Echt gute radioaktive Pilze, hoffe ich. Dann kehren sie ein und essen Wild. Aber nicht mit Preiselbeeren, denn das findet der Sachse ‚gohhhmsch’ Fleisch mit was Süßem zu essen. Dazu trinkt der Sachse Grog und Rachenputzer und dann wandert der Sachse mit lustig roten Wangen wieder nach unten. Setzt sich in Zug oder Familienkutsche und tröllert zurück dahin wo man eben aus Sachsen so herkommen kann, wenn man nicht auf einem Berg wohnt.

Doch das Heimkommen war unumgänglich. Ich muß noch heute heimkommen. Und es fühlt sich kaum anders an als vor 10 Jahren.

die Kammlage und du.

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