patti
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Journal '05: 22. 8. Montag.
Die erste Rock'n'Roll-Frau.
Patti Smith war die erste Rock'n'Roll-Frau. Für mich.
Ich komme - musiksozialisationsmäßig - aus der entsetzlichen Welt der 70er, als alles nur aus Schweiß, Testosteron und Mann-Männern bestand, wiewohl sich die mit langen Haaren und wallenden Gewändern als Frauen tarnten. Natürlich waren alle echten und Fake-68er, die damals die Star- und Vorstellungs- aber auch die echten Welten bevölkerten für die Frauen-Bewegung, aber nur weil man das sagen musste um cool zu sein.
In Wahrheit interessierte das niemanden. In Wahrheit war alles Macho as can be, auch und vor allem in den avancierten WGs. Und wenn die Chicks dabei sein wollten, mussten sie eine hochabsurde Ambivalenz zwischen weiblich & sexy und wild & boyisch darstellen.
Und dann waren sie trotzdem bestenfalls Beiwerk, was die wirklich 'wichtigen' Dinge betraf: Musikhören auf Rumsitz-Parties, wo dann einer die Gitarre rausnimmt und versucht Led Zep nachzuspielen. Im echten Leben gestand man ihnen gerade die Rolle der Herzensbrecherinnen zu, dank derer man dann mannhaft leiden konnte.
Es war, gesellschaftsentwicklungsmäßig eine blöde Zeit. Es gab keine Rolemodels in den Medien, nur stumpfen Erwachsenen-Mainstream; und die Coolen waren eben auch gar nicht cool.
Ich erinnere mich an das langsame Aufkommen von David Bowie hierzulande und wie die Faszination des Androgynen und dessen Lässigfindenmüssen sich immer und ununterbrochen mit überheblichen Schwulen-Witzen gemischt hat.
Jeder wusste, dass man das nicht machen durfte, dass auch Schwulsein reinste Gegenkultur und Rebellion war, aber alle waren noch von den alten elterlichen Mustern völlig verprägt.
Patti Smith platzte da unvermittelt und unvermutet rein; und löste - ebenso wie Bowie - einiges aus. Denn sie war nicht nur eine Frau, sondern auch ein Tomboy, ein Mädchen, das sich wie ein Bub kleidete und gab, sie war nicht hübsch, nicht sexy, kein kuscheliges Anhängsel, sie war auch keine geile wilde Motorrad-Braut, bediente und befriedigte also keine der gewohnten Erwartungen.
Patti Smith war stattdessen purer, reiner Inhalt. Kein Schnickschnack, blanker Content.
Patti Smith nahm die Fackel der reinen Lehren auf, zitiere Jim Morrison, Bob Dylan und Jimi Hendrix, zitierte die Beat-Poeten, stellte sich so als die Erbin einer Riege von Granden dar, deren Kanon man nicht widersprechen konnte, stülpte ihr Frau-Sein drüber und hatte somit innerhalb einer geschichtlichen Sekunde einen sagenhaften Status erlangt.
Natürlich war das - siehe Bowie - mit allerlei blödem Gerede verbunden: Patti Smith wurde im Spott der Männer-Rock-Fans zu einem haarigen, flachbrüstigen Hysterie-Bündel runtergeredet, das ja niemals so gut wie die anderen haarigen, flachbrüstigen, die Burschen eben, sein könnte.
Es war - als Bub - gefährlich nah am Uncoolsein Patti Smith zu hören und auch noch wirklich gut zu finden. Man war schon fast schwul, wenn man das tat.
Ich konnte aber nicht anders. Patti hat mir mit ihren exstatischen Performances (komischerweise gab es damals zwar kein Musikvideo-TV, dafür war jedes Kino- oder Fernseh-Konzert um ein Eckhaus einflussreicher, einfach weil es alle gesehen haben) und ihren unglaublichen Platten "Horses", "Radio Ethiophia", "Easter" und "Wave" den Weg freigeräumt damit ich mich freudig rückwärts in die Pop-Geschichte vorbuddeln konnte.
Martin Blumenau
[...]
(schön+wahr)
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und: Mr. Moog ist tot.
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Journal '05: 22. 8. Montag.
Die erste Rock'n'Roll-Frau.
Patti Smith war die erste Rock'n'Roll-Frau. Für mich.
Ich komme - musiksozialisationsmäßig - aus der entsetzlichen Welt der 70er, als alles nur aus Schweiß, Testosteron und Mann-Männern bestand, wiewohl sich die mit langen Haaren und wallenden Gewändern als Frauen tarnten. Natürlich waren alle echten und Fake-68er, die damals die Star- und Vorstellungs- aber auch die echten Welten bevölkerten für die Frauen-Bewegung, aber nur weil man das sagen musste um cool zu sein.
In Wahrheit interessierte das niemanden. In Wahrheit war alles Macho as can be, auch und vor allem in den avancierten WGs. Und wenn die Chicks dabei sein wollten, mussten sie eine hochabsurde Ambivalenz zwischen weiblich & sexy und wild & boyisch darstellen.
Und dann waren sie trotzdem bestenfalls Beiwerk, was die wirklich 'wichtigen' Dinge betraf: Musikhören auf Rumsitz-Parties, wo dann einer die Gitarre rausnimmt und versucht Led Zep nachzuspielen. Im echten Leben gestand man ihnen gerade die Rolle der Herzensbrecherinnen zu, dank derer man dann mannhaft leiden konnte.
Es war, gesellschaftsentwicklungsmäßig eine blöde Zeit. Es gab keine Rolemodels in den Medien, nur stumpfen Erwachsenen-Mainstream; und die Coolen waren eben auch gar nicht cool.
Ich erinnere mich an das langsame Aufkommen von David Bowie hierzulande und wie die Faszination des Androgynen und dessen Lässigfindenmüssen sich immer und ununterbrochen mit überheblichen Schwulen-Witzen gemischt hat.
Jeder wusste, dass man das nicht machen durfte, dass auch Schwulsein reinste Gegenkultur und Rebellion war, aber alle waren noch von den alten elterlichen Mustern völlig verprägt.
Patti Smith platzte da unvermittelt und unvermutet rein; und löste - ebenso wie Bowie - einiges aus. Denn sie war nicht nur eine Frau, sondern auch ein Tomboy, ein Mädchen, das sich wie ein Bub kleidete und gab, sie war nicht hübsch, nicht sexy, kein kuscheliges Anhängsel, sie war auch keine geile wilde Motorrad-Braut, bediente und befriedigte also keine der gewohnten Erwartungen.
Patti Smith war stattdessen purer, reiner Inhalt. Kein Schnickschnack, blanker Content.
Patti Smith nahm die Fackel der reinen Lehren auf, zitiere Jim Morrison, Bob Dylan und Jimi Hendrix, zitierte die Beat-Poeten, stellte sich so als die Erbin einer Riege von Granden dar, deren Kanon man nicht widersprechen konnte, stülpte ihr Frau-Sein drüber und hatte somit innerhalb einer geschichtlichen Sekunde einen sagenhaften Status erlangt.
Natürlich war das - siehe Bowie - mit allerlei blödem Gerede verbunden: Patti Smith wurde im Spott der Männer-Rock-Fans zu einem haarigen, flachbrüstigen Hysterie-Bündel runtergeredet, das ja niemals so gut wie die anderen haarigen, flachbrüstigen, die Burschen eben, sein könnte.
Es war - als Bub - gefährlich nah am Uncoolsein Patti Smith zu hören und auch noch wirklich gut zu finden. Man war schon fast schwul, wenn man das tat.
Ich konnte aber nicht anders. Patti hat mir mit ihren exstatischen Performances (komischerweise gab es damals zwar kein Musikvideo-TV, dafür war jedes Kino- oder Fernseh-Konzert um ein Eckhaus einflussreicher, einfach weil es alle gesehen haben) und ihren unglaublichen Platten "Horses", "Radio Ethiophia", "Easter" und "Wave" den Weg freigeräumt damit ich mich freudig rückwärts in die Pop-Geschichte vorbuddeln konnte.
Martin Blumenau
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(schön+wahr)
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und: Mr. Moog ist tot.
RAS - 2005/08/23 20:40